Nicht-Zwei ist Frieden

Wie alle Menschen gemeinsam eine neue globale Ordnung auf kooperativer Grundlage schaffen können

Einführung

von Ervin Laszlo

Von Zeit zu Zeit verschafft sich inmitten von Krisen und Chaos eine prophetische Stimme Gehör, durchdringt die Mauer der Gleichgültigkeit, Nachlässigkeit und puren Ignoranz und nennt die Dinge beim Namen. Im vorliegenden Buch kommt solch eine Stimme zu Wort. Es wird nicht überraschen, wenn diese Stimme von jemandem kommt, der nicht in der Hektik lebt, die wir euphemistisch unser Leben nennen und weniger freundlich die tägliche Tretmühle. Sie kommt von jemandem, der sich früh im Leben dafür entschied, die Distanz zu wahren, die eine klare Sicht erlaubt, und in die Stille einzutreten, die notwendig ist, um die Stimme der Wahrheit zu vernehmen. Wir sehen die Dinge am besten, wenn wir sie ruhig und nüchtern betrachten können: Wir sehen dann nicht nur die Bäume, sondern auch den Wald. Und wir hören am besten, wenn wir die Kakophonie wetteifernder Stimmen zum Schweigen bringen, die alle nach unserer Aufmerksamkeit verlangen. Die Quelle tiefer Einsicht ist die Leere, die zugleich die Fülle und profunde Stille ist, die uns befähigt, die Stimme der Vernunft zu hören.

Die Stimme des Weltfreundes Adi Da, die auf diesen Seiten zu uns spricht, spricht kein geringeres Thema an als unser kollektives Überleben – das Überleben der Art, die sich homo sapiens nennt: der weise, wissende Mensch. Wir sind an dem Punkt angelangt, wo sich entscheidet, ob unsere Art auf diesem Planeten noch eine Chance hat. Die Probleme werden täglich sichtbarer. Ich habe sie in meinen letzten Schriften selbst aufgezählt. Adi Da nennt sie klipp und klar beim Namen:

»… Umweltverschmutzung, globale Erwärmung, Klimawandel, Energieverschwendung, die Notwendigkeit neuer Technologien und Methoden in jedem Bereich unseres Lebens, das Versiegen fossiler Brennstoffe und sonstiger natürlicher und menschlicher Ressourcen, Krankheit, Hunger, Überbevölkerung, Verstädterung, Globalisierung, Migration, Gebietsstreitigkeiten, Gewaltverbrechen, massive Anhäufung (und manchmal auch Einsatz) von katastrophal zerstörerischen Waffen, die Tendenz von Nationalstaaten, Kooperation und gegenseitige Hilfe abzulehnen, sowie die Tendenz von Nationalstaaten (oder Gruppierungen innerhalb der Staaten), den Krieg (oder sonstige grausame Gewaltanwendung) als Mittel zu benutzen, um nationale Ziele und kulturell idealisierte Richtlinien durchzusetzen …«

Die Liste lässt sich leicht verlängern, sie ist lang und düster. Jedes Weitermachen wie bisher führt in die Sackgasse.

Aber unser Schicksal ist nicht besiegelt. Ungleich anderen Arten, deren Überleben bedroht war, hat homo sapiens eine einzigartige Chance, weil seine Situation einzigartig ist. Andere Arten starben aus, weil die Umwelt sich änderte oder weil andere Arten in ihre Nische eindrangen. Für den Menschen gibt es keine mächtigeren Arten, mit denen er kämpfen müsste, aber seine Umwelt ändert sich, und vielleicht ist dieser Prozess schon unumkehrbar. Die Umwelt auf diesem Planeten ändert sich, weil homo sie ändert. Der weise, wissende homo sapiens ist intelligenter, als gut für ihn ist. Er schafft unhaltbare Zustände in der Biosphäre und große Spannungen und potenzielle Katastrophen in der Soziosphäre.

Was bringt den Menschen dazu, solche Umstände zu schaffen ? Sicher nicht seine Instinkte, denn die sind auf das individuelle und kollektive Überleben ausgerichtet. Aber seine Instinkte haben nicht mehr die Kontrolle, sie sind von seinem Verstand überlagert, der die erschreckende Freiheit besitzt, die grundlegenden Instinkte zu ignorieren. Die kurzsichtige egoische Rationalität des modernen Menschen ist die Instanz, die seine Schritte lenkt, seine Werte definiert, seine Wahrnehmungen steuert und den komplexen Überbau errichtet, den er stolz »moderne Zivilisation« nennt. Diese Rationalität testet jetzt die Grenzen der Lebensfähigkeit unserer Art.

Die einzigartige Freiheit des Menschen ist zugleich auch seine einzigartige Überlebenschance. Denn was unterdrückt wurde, ist nicht verlorengegangen, und was ignoriert wird, ist nicht für immer ausgelöscht. Aber es kann nicht einfach darum gehen, bloß den Instinkt wiederzubeleben, denn der allein reicht nicht aus, um die Hast zu bremsen, mit der wir heute dem Aussterben entgegeneilen. Tiefe Einsicht, die aus unseren grundlegendsten Instinkten für das individuelle und kollektive Überleben aufsteigt, ist notwendig, denn nur sie kann uns zu einer friedlichen, tragfähigen und wirklich realisierbaren Zivilisation führen.

Tiefe Einsicht ist das verlässlichste Heilmittel, denn sie bringt uns in unmittelbaren Kontakt mit der Wirklichkeit – einen Kontakt, der nicht von Anmaßung korrumpiert und mit Spitzfindigkeit verbrämt ist. Hätten wir diese Einsicht nicht in entscheidenden Momenten unserer Geschichte gehabt, wären wir heute nicht hier. Zum Glück haben wir diese Einsicht immer wieder gehabt – und deshalb haben wir überlebt. Und weil sie auch heute wieder in den Vordergrund tritt, haben wir eine Chance, auch morgen noch hier zu sein.

Die Einsicht, die die Stimme in diesem Buch ausspricht, ist die Einsicht, dass wir nicht nur bedroht, sondern auch zu retten sind. Die Bedrohungen stammen von unserem egoischen Getrenntsein; und die Rettung kommt von der Wiederentdeckung unseres Einsseins – jenes Einsseins, das immer schon vor allen anderen Realitäten und Überlegungen existiert. Dieses Einssein besteht, es ist eine Tatsache – auch wenn wir sie fast vergessen haben. Aber zum Glück ist es eine Tatsache, die wiederentdeckt werden kann. Und genau das geschieht jetzt. Sie wird von Denkern und Wissenschaftlern der Avantgarde, zu denen auch ich mich zählen möchte, wiederentdeckt, und sie wird uns von spirituellen Meistern wie Adi Da wieder ins Bewusstsein gerufen.

Partikel sind im ganzen Weltraum miteinander verbunden, selbst wenn sie örtlich voneinander getrennt sind. Sie sind immer schon von Natur aus eins. Lebewesen aller Art sind in der ganzen Biosphäre miteinander verbunden, auch wenn sie sich nicht am selben Ort befinden. Es ist ein reales feinstoffliches Einssein, das erst in jüngster Zeit auch wissenschaftlich entdeckt wurde. Anthropologen haben herausgefunden, dass Menschen, die zum gleichen indigenen Volk gehören, ortsunabhängig – telepathisch – miteinander und mit ihrer Heimat und Umwelt verbunden sind. Sie haben ihr ursprüngliches Einssein nicht unterdrückt. Aber der moderne Mensch, der weise und wissende homo sapiens, hat die Kenntnis seines immer-schon-bestehenden Einsseins unterdrückt und schließlich sogar – ermutigt durch seine fehlgeleitete Rationalität – die Realität des Einsseins geleugnet. Jetzt erleben wir die Folgen: Loyalitäten sind zersplittert in »mein Land«, »meine Firma« und »die anderen«; die Natur wird ausgebeutet und geplündert; Milliarden von Menschen sind in tiefe, scheinbar hoffnungslose Armut gestürzt.

Ist die Rückkehr zum Einssein, zur nahtlosen Ganzheit – wie im legendären Paradies – eine Utopie ? Nein, sie ist absolut notwendig, wenn homo sapiens physisch, biologisch und sozio-psychologisch überleben will. Werden wir dieser Notwendigkeit entsprechen ? Die Zeit wird es zeigen, und zwar bald.

Ich glaube fest daran, dass die Antwort ja sein wird. Wir sind nicht allein. Nicht nur im Universum, denn es ist sehr wahrscheinlich, dass es auf manchen der zahllosen Planeten unserer Galaxie und Milliarden anderer Galaxien viele Zivilisationen gibt. Wir sind auch deshalb nicht allein, weil es unsichtbare Kräfte gibt, die jetzt immer deutlicher unsere Geschicke lenken. Die Zeichen sind unübersehbar. Wahre Vernunft meldet sich zu Wort, eine neue Spiritualität tritt in Erscheinung und eine höhere Strahlungsfrequenz ist auf dem Planeten zu spüren. Die Einsicht, der Adi Da seine Stimme leiht, ist dieselbe Einsicht, zu der immer mehr Menschen kommen. Vor zehn bis zwanzig Jahren waren es Tausende, heute sind es Millionen.

Die Transformation unserer Art hat begonnen. Wie ein Lauffeuer breitet sich unter den Menschen die Erkenntnis aus, dass wir alle eins sind. Die Zersplitterung der Menschheit und die Trennung zwischen Mensch und Natur waren nur ein Zwischenspiel in unserer Geschichte, das jetzt zu Ende geht. Wir finden unser Einssein wieder, und zwar nicht, indem wir zu einer früheren Kultur und Bewusstheit zurückkehren, sondern indem wir über die zersplitterte, egoische Zivilisation hinausgehen, die die Menschheit in den letzten zwei Jahrhunderten beherrscht hat, und indem wir uns auf eine kooperative Welt zubewegen, die durch den weltweiten Austausch von Menschen initiiert werden kann und soll, die kein anderes Interesse vertreten als das der ganzen Art. Die Errichtung eines Globalen Kooperativen Forums, das diese Funktion erfüllt, ist der Kern von Adi Da’s Aufruf in diesem Buch. Er schreibt:

»Wir dürfen das globale Konkurrenz-Spiel nicht bis zum bitteren Ende spielen. … Es ist unabdingbar, dass ein Globales Kooperatives Forum errichtet wird, das auf der grundlegenden Akzeptanz und Realisierung des immer schon existierenden Einsseins basiert. Und die ganze Menschheit muss entsprechend global eine ernsthafte und wirksame Disposition und Lebensweise entwickeln. In diesem Globalen Kooperativen Forum … werden – und müssen – alle sich auf die wirklich notwendigen Anliegen konzentrieren, die alle gemeinsam haben.«

Es ist höchste Zeit, dass wir uns in diese Richtung bewegen. Die Stunde der Entscheidung ist nahe. Wenn eine kritische Masse von uns wieder die Erfahrung macht und eindeutig wahrnimmt, dass wir alle immer schon eins sind, dann werden wir handeln und können der Stunde der Entscheidung vertrauensvoll entgegensehen. Die Verbreitung von Botschaften, die der tiefsten Intuition entspringen, zu der unsere Art fähig ist, ist sowohl das Mittel, um diesen höchsten Zustand zu erreichen, als auch ein Hinweis darauf, dass das Erreichen dieses Zustands kein glücklicher Zufall, sondern eine Notwendigkeit ist, wenn die Menschheit ihre Bestimmung erfüllen will, sich geistig, spirituell und in ihrem Bewusstsein weiterzuentwickeln. Denn diese Bestimmung ist das Privileg unserer Art, und es ist unsere unvermeidliche Verantwortung, sie zu schützen und zu fördern, zum Wohle aller Lebewesen, die die Erde bewohnen – unsere kostbare Heimat im Universum.

März 2007